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Und dann will man was erzählen und keiner hört dir zu.

Ich weiß oft nicht, wovon ich rede, aber ich rede viel.

Das war schon immer so und das wird wahrscheinlich auch so bleiben. Und auch, wenn ich nicht immer etwas zu einem Gespräch beitragen kann, so höre ich zu. Und das ist schön. Wenn man Menschen zuhört, lernt man sie eben noch einmal neu kennen. Das klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber wie oft realisieren wir wirklich, was unsere Sprache zu dieser Gesellschaft beiträgt?

Stellen wir uns vor, dass wir alle von heute auf morgen stumm wären. Für die einen ein Albtraum, für die anderen ein Segen, für mich jedenfalls ein Tag, den es wert wäre mitzuerleben. Im Disney Film „Wall-E“ brauchten beide Roboter nichts weiter als ihre Namen und schon wussten sie, wie sie miteinander kommunizieren konnten. Und so entstand wohl eine der dramatischsten Roboter-Romanzen, die die meisten von uns kennen und lieben. Aber wie ist das bei uns? Wir reden viel, aber noch mehr denken wir. Und meistens denken wir darüber nach, was wir reden. Wer von uns hat sich nicht schon mal eine Konversation mit Personen aus dem realen Leben ausgedacht? Oder ist nach einem Streit darauf gekommen, dass eine andere Formulierung viel besser gewesen wäre?

Wir reden und reden und reden. Oft wissen wir nicht, wovon wir reden, aber wir reden viel. Und damit kreieren wir Wörter aus Buchstaben und Zahlen aus Nummern. Aber was ist, wenn das überflüssig wäre?

Oftmals komme ich in meinen Gedanken zu dem Punkt, wo ich mir nichts sehnlicher wünsche, als den einen Menschen zu finden. Den einen, bei dem sich jede Konversation lohnt, jeder Streit neue Erfahrungen mit sich bringt und jedes gewechselte Wort Bedeutung hat. Die wahre Liebe, wie es die Romantiker nennen würden. Aber ich mag den Begriff nicht und definiere ihn anders. Ich möchte, dass ich den Menschen finde, mit dem ich schweigen kann. Wir schweigen, und das gemeinsam, ohne dass eine unangenehme Stille entsteht. Sondern eine Stille, die wir beide genießen würden, weil wir in diesem Moment beide existieren und das gemeinsam...

Das ist mein Ziel und das würde ich auch jedem so weitergeben. Finde nicht die große Liebe, finde die Person, mit der du schweigen kannst.


Nachträglich vielleicht ein fremdartiger Gedanke, aber genauso fremdartig ist die Idee einer Welt ohne Sprache.

Aber wen interessieren schon solche Gedanken? Das ist die Frage, die Menschen nicht von selbst stellen, sondern die, die sie nach der Zeit beigebracht bekommen. Wenn ich rede, warum? Mit wem? Und weswegen rede ich mit jemanden, den es womöglich langweilt, was ich zu erzählen habe? Solche Fragen sollte man sich eigentlich nicht stellen, denn desto mehr man darüber nachdenkt, desto frustrierender werden diese Gedanken. Aber es ist hart, wenn man weiß, zu reden, aber auch zuzuhören.

Konversationen bestehen nun mal aus Sprechen und Zuhören und dies möglichst abwechselnd. Aber was ist, wenn man jetzt begeistert einem Freund etwas erzählt, das man selbst als wichtig empfindet. Weil es einen interessiert, oder etwas passiert ist, das man gerne mit anderen teilen würde. Mitten in unserem Redeschwall beschließt unser Gegenüber aber, nicht mehr zuzuhören, schneidet uns das Wort ab und wechselt das Thema, so dass es für ihn interessant wird. Das ist hart, aber das passiert vielen jeden Tag. Oft unbewusst und ohne dass man groß darüber nachdenkt, nehmen wir das so hin.

Wieso? Wo liegt der Sinn darin, sich gegenseitig nicht ausreden zu lassen, weil man selbst will, dass jemand einem zuhört? Und dann werden die Stilleren immer stiller und die Lauteren immer lauter. Konversationen entstehen, bei denen man eigentlich nichts beitragen kann, und dennoch hören wir zu, auch wenn wir wissen, dass uns keiner von ihnen zuhören würde, wenn es um nichts für sie Wichtiges ginge.

Ich weiß oft nicht, wovon ich rede, aber ich rede viel. Ich weiß oft nicht, warum ich zuhöre, aber ich höre zu.


Susan Hochstöger

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