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Redaktionsteam

Die Jungfrau von Orleans


Statue von Jeanne D'Arc in Paris
Jeanne D’Arc statue

Kaum eine Geschichte ist stärker von Heroismus geprägt als die der Jeanne D’Arc, einer Heiligen, deren Schicksal durch keine noch so heldenhafte Tat umgeschrieben werden konnte. In England war sie zu Lebzeiten verhasster als die Pest – in Frankreich wird sie noch heute als Nationalheldin verehrt.

Wie konnte ein junges Mädchen zum Gesicht eines Krieges werden, und weshalb musste ihre Chronik so tragisch enden?


Geboren etwa 75 Jahre nach Beginn des Hundertjährigen Krieges, mitten im Spätmittelalter, war es Jeanne D’Arcs größtes Ziel, der ihr von Gott auferlegten Berufung zu folgen und Frankreich siegreich aus dem Krieg zu führen.


Englische Truppen rückten immer näher an ihr Dorf im Osten Frankreichs und ihre wohlhabende Bauernfamilie sorgte sich um Verletzte und Geflüchtete, die ihren Heimatort aufgrund der englischen Besetzung verlassen mussten. Inmitten des Chaos, das rund um die Jugendliche herrschte, vernahm sie erstmals mit 13 Jahren Stimmen, zuallererst die der Hl. Katharina, die ihr flüsterten, sie sei die prophezeite Jungfrau, die ihre Nation zum Sieg des aussichtslos scheinenden Krieges leiten würde. Drei Jahre lang behielt sie ihre Visionen für sich. Aus Angst vor ihrer bevorstehenden Zwangsverheiratung und aus neugewonnener Überzeugung von ihren Fähigkeiten verließ sie jedoch 1428 als 16-Jährige ihr Elternhaus und ließ Mutter, Vater und ihre vier Geschwister zurück. Sie machte sich auf den Weg zur Festung Vaucouleurs, um dort Kontakte zu Adeligen zu knüpfen und bei der obersten Instanz der Stadt vorzusprechen. Tatsächlich gewährte ihr der vorerst misstrauische Stadtkommandant Robert de Baudricourt nach mehreren Versuchen eine Audienz. Nachdem sie ihren Glauben durch den Kuss auf ein Kreuz bekundet und das Interesse des Kommandanten an ihren Prophezeiungen geweckt hatte, schickte man sie in Begleitung eines königlichen Verbündeten zu Karl VII., dem Sohn des Königs von Frankreich, nach Poitiers. Eine Geschichte besagt, Jeanne habe den Dauphin beim Vorsprechen am Adelshof trotz seiner Verkleidung erkannt, obwohl sie ihn noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Sie prophezeite ihm die Salbung zum König Frankreichs, was eine waghalsige Voraussage war: Karl VI., des Dauphins geistesschwacher Vater, hatte Jahre zuvor mit Heinrich V. den Vertrag von Troyes geschlossen, welcher Karl VII. von der Thronfolge ausschloss. Dennoch konnte sie – die Frage nach dem Wie ist bis heute unaufgeklärt – den Dauphin von ihrer Glaubwürdigkeit überzeugen und versprach ihm, die Rettung der Nation zu sein. Nach wochenlangen Prüfungen, tückischen Befragungen und einem Nachweis ihrer Jungfräulichkeit (man glaubte, eine Jungfrau könne nicht vom Teufel besessen sein), war der Kronrat überzeugt, ihre Eingebungen kämen von Gott, und nicht vom Satan. Karl VII. war nun bereit, Jeanne in die Schlacht ziehen zu lassen. Er ließ ein Heer für sie berufen und in seinem Auftrag eine Rüstung maßanfertigen, was ein Luxus war, den sich sonst kaum ein Soldat leisten konnte. Mit diesem Prozess festigte sich auch Jeanne D’Arcs Markenzeichen, ihr neuer Name: „La Pucelle“ – „Die Jungfrau“. Jeanne war gewillt, das besetzte Orléans zu befreien. Sie verfasste einen Brief an den Herzog von Bedford, in dem sie ihm mit der Vertreibung seiner Truppen aus Frankreich drohte und ritt mit ihrer kleinen Kampfeinheit in den Nordosten Frankreichs. Orléans war aufgrund seiner Lage an der Loire von großer Bedeutung und war seit einigen Monaten von den Engländern belagert. Jeanne ritt als Anführerin ihrer Einheit zwar mit, beteiligte sich aber wegen ihrer fehlenden Kampferfahrung nicht aktiv an der Schlacht. Trotzdem konnte sie, vor allem nachdem sie, von einem Pfeil getroffen und vom Pferd gefallen, am nächsten Tag wieder auf den Beinen stand, ihre Soldaten motivieren. Innerhalb weniger Tage konnten Jeanne und ihre Kämpfer die Engländer in die Flucht schlagen. Der Erfolg in Orléans leitete die Wende im Hundertjährigen Krieg ein, viele weitere Siege folgten. Die Glückssträhne hielt allerdings nur bis zur versuchten Befreiung von Paris an, welche kläglich scheiterte. Obwohl Karl VII. tatsächlich in Reims gesalbt wurde, wie von Jeanne prophezeit, wandte er sich nach der Niederlage in der Hauptstadt von ihr ab. Durch ihren Übermut nahm sie im Mai 1430 mit nur 400 Mann den Kampf gegen die 6000 Mann starke Armee der Anglo-Burgunder in Compiègne auf und wurde gefangengenommen, verkauft und monatelang in einen Turm gesperrt. Während der insgesamt zwei Inquisitionsprozesse sprach sie aus Angst vor der über sie verhängten Todesstrafe ihrer Maxime ab, besann sich später allerdings wieder auf ihre Prinzipien und rief die Aussage zurück. Somit war das endgültige Urteil gefällt. Am 30. Mai 1431, im Alter von 19 Jahren, wurde Jeanne D’Arc als notorisch rückfällige Häretikerin bei lebendigem Leibe verbrannt.


Karl VII. profitierte durch sein neugewonnenes Ansehen von Jeannes Tod im Namen des Glaubens und konnte mithilfe der Burgunder, die inzwischen Frieden mit Frankreich geschlossen hatten, den Hundertjährigen Krieg für sich entscheiden.


1909 wurde Jeanne von Pius X. selig- und 1920 von Benedikt XV. heiliggesprochen.

Jeanne D’Arc wird in Frankreich von allen Seiten als symbolische Figur beansprucht. Von Katholiken wegen ihrer Frömmigkeit, von Feministen wegen ihrer Unabhängigkeit, von Nationalisten wegen ihres Patriotismus. Aus vorliegenden Unterlagen kann aber kein endgültiger Schluss über ihr Handeln, oder gar ihre Persönlichkeit gezogen werden, vieles ist und bleibt ein Mythos.

Eines ist jedoch gewiss: Die Jungfrau von Orléans ließ sich nicht einschränken und wurde zur Heldin.


Anna Sebök (Gastautorin)

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